Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Universität Wien

Dialog Publizistik
Zürich-Wien

Kommunikationswissenschaft audiovisuell

Univ.-Prof. Dr. Ulrich Saxer (Zürich) im Gespräch mit Univ.-Prof. DDr. Roland Burkart (Wien)

24. Mai 2007

 

 

Ulrich Saxer ist ein wichtiger Vertreter unseres Faches. Sein Name ist jedem Studierenden der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft aus der Fachliteratur wohlbekannt. Dieses Gespräch war der erste Versuch am Wiener Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft, einen namhaften Kommunikationswissenschaftler über sein Denkgebäude zu befragen, das eine Spur in unserem Fach hinterlassen hat. Und es ist zugleich ein audiovisuell festgehaltenes Stück Wissenschaftsgeschichte.

 

Prof. Dr. Ulrich Saxer (1931-2012)

Ulrich Saxer wurde am 6. Jänner 1931 in Küsnacht (Zürich) geboren. Er studierte an der Universität Zürich und in Großbritannien Jurisprudenz, Germanistik und Anglistik. 1957 promovierte er mit einer Arbeit über „Gottfried Kellers Bemühungen um das Theater“ zum Dr. phil. Er war als Deutschlehrer am Gymnasium tätig, arbeitete journalistisch und absolvierte außerdem eine Gesangsausbildung. 1966 übernahm er einen ersten Lehrauftrag an der Universität Zürich („Soziologische Aspekte der Massenmedien“), 1970 folgte die Habilitation („Publizistische Strategie und soziokultureller Wandel“) und 1973 die Ernennung zum Assistenzprofessor für „Publizistik mit Berücksichtigung der Kunstsoziologie“ an der Philosophischen Fakultät der Universität Zürich. Von 1975-1996 war er Leiter des „Seminars für Publizistikwissenschaft der Universität Zürich (ab 1977 als Extraordinarius, ab 1983 als Ordinarius).
Saxer bezeichnete sich selbst als Autodidakten: „Ich bin der Professor, der nie eine Vorlesung in seinem Fach gehört hat. Ich habe dieses Fach sozusagen erfunden.“ (Saxer 2007: 62) (1)

In der Tat hatte er an der Universität Zürich die Publizistikwissenschaft akademisch institutionalisiert und das Fach in den 1970er und 1980er Jahren als empirische Disziplin etabliert. Nach seiner Emeritierung in Zürich (1996) übernahm er (1997) das Ordinariat für Kommunikationssoziologie an der Università della Svizzera Italiana in Lugano (bis 2001). Von 1997 bis zu seinem Tod war er überdies als Honorarprofessor am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Universität Wien tätig.

Ein selektiver Blick auf Saxers Funktionen: Gründungspräsident der Schweizerischen Gesellschaft für Kommunikations- und Medienwissenschaft, Mitglied der Eidgenössischen Expertenkommission für eine Medien-Gesamtkonzeption, Verantwortlicher im Bereich Medien der Bertelsmann Stiftung, Mitherausgeber der Fachzeitschrift „Publizistik. Vierteljahreshefte für Kommunikationsforschung“. Einrichtung der Ulrich Saxer-Stiftung zur Förderung des publizistik- und kommunikationswissenschaftlichen Nachwuchses.

Es gibt kaum einen Bereich der Publizistikwissenschaft, zu dem Saxer nicht reflektiert und publiziert hat. Von seiner wissenschaftlichen Orientierung her stand er der Systemtheorie nahe. Als seine Lehr- und Forschungsbereiche könnte man Kommunikationssoziologie, Politische Kommunikation, Kommunikationspolitik, Medien-Kulturkommunikation, Leseforschung und auch Öffentlichkeitsarbeit nennen. Er beschäftigte sich aber auch mit allgemeinen Fragen der Wissenschaft – ein Unternehmen, das er gerne als „Wissenschaftswissenschaft“ bezeichnete.

Ulrich Saxer starb am 8. Juni 2012 bei München.

Die Deutsche Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft (DGPuK) vermeldete zu seinem Tod: „Mit bewundernswerter Energie, mit höchstem Sachverstand und mit weitreichendem Einfluss hat Ulrich Saxer die Publizistik- und Kommunikationswissenschaft im deutschsprachigen Raum bereichert. Sie verdankt ihm inhaltlich wie institutionell enorm viel. Er hat dies immer mit einem Augenzwinkern getan. So wollen wir ihn in Erinnerung behalten.“

 

Die Video-Clips mit Ulrich Saxer

Für unser Fach zentral und schon lange legendär ist der Saxersche Medienbegriff. Saxers Anspruch war, dass Medien im publizistikwissenschaftlichen Sinn nicht auf ihre materiellen oder technischen Aspekte reduziert werden dürfen. Er verstand Medien aus seiner systemtheoretischen Perspektive heraus in erster Linie als „Institutionen" und definierte sie als „komplexe institutionalisierte Systeme um organisierte Kommunikationskanäle von spezifischem Leistungsvermögen“ (Saxer 1980). (2)  Im ersten Clip (Medienbegriff, 6 Min.) erläutert er diese Definition, um dann auch zu betonen, dass er Medien keineswegs nur für problemlösende, sondern auch für problemschaffende Systeme hält (Problem und Medien, 6 Min.). Was das gesamtgesellschaftlich bedeuten kann, erklärt er am Phänomen der „Unterhaltung“ (10 Min.). Dabei setzt er sich kritisch mit dem seinerzeitigen Bestsellerautor Neil Postman und seiner Kritik an der Fernsehgesellschaft auseinander und geht auf „Politainment" (5 Min.) ein. Abschließend plädiert er für eine theoretische Fundierung von Public Relations (5 Min.) und nimmt auf sein zum Gesprächszeitpunkt gerade neu erschienenes Buch „Politik als Unterhaltung“ Bezug (2 Min.).

Noch kurz vor seinem Tod vollendete Saxer sein opus magnum: Eine Monografie, die man fraglos als sein Lebenswerk begreifen kann. Das Buch hat einen Umfang von 968 Seiten und trägt den Titel „Mediengesellschaft. Eine kommunikationssoziologische Perspektive.“ Wiesbaden: Springer VS.
Als Download gibt es hier eine Rezension.

(1) Saxer, Ulrich (2007): Ich habe dieses Fach erfunden. In: Meyen, Michael/Löblich, Maria (Hrsg.): „Ich habe dieses Fach erfunden“. Wie die Kommunikationswissenschaft an die deutschsprachigen Universitäten kam. 19 biografische Interviews. Köln: Halem: 59-75.
(2) Saxer, Ulrich (1980): Grenzen der Publizistikwissenschaft. Wissenschaftswissenschaftliche Reflexionen zur Zeitungs-/Publizistik-/Kommunikationswissenschaft seit 1945. In: Publizistik 4/1980: 525-543.

 

Zur Schnellauswahl die einzelnen Videoclips mit Ulrich Saxer im Überblick:

1: Medienbegriff

2: Problem und Medien

3: Unterhaltung und Gesellschaft

4: Neil Postman und Politainment

5: Public Relations als Wissenschaft

6: Politik als Unterhaltung

 

Das Gespräch ist in voller Länge und in hoher Videoqualität auch als DVD um Euro 15,- (Studierendenpreis € 10,-) exkl. Porto und Verpackung bei Dr. Manfred Bobrowsky, manfred.bobrowsky@univie.ac.at, erhältlich.

SaxerBildDVD1   SaxerBildDVD2  SaxerBildDVD3

 

 

Ebenso erhältlich:

2013
Dialog Publizistik Bamberg-Wien
Kommunikationswissenschaft audiovisuell
Univ.-Prof. Dr. Manfred Rühl (Bamberg) im Gespräch mit Univ.-Prof. DDr. Roland Burkart und Univ.-Prof. Dr. Walter Hömberg (Wien)
DVD, 69 Min., Wien 28. Juni 2013, Videoarchiv

Dialog Publizistik Berlin-Wien
Kommunikationswissenschaft audiovisuell
Univ.-Prof. Dr. Barbara Baerns (Berlin) im Gespräch mit Univ.-Prof. DDr. Roland Burkar (Wien)
DVD, 81 Min., Wien 23. Jänner 2013, Videoarchiv

 

2010
Dialog Publizistik Leipzig-Wien
Kommunikationswissenschaft audiovisuell
Univ.-Prof. Dr. Günter Bentele (Leipzig) im Gespräch mit Univ.-Prof. DDr. Roland Burkart (Wien)
DVD, 70 Min., Wien 11. März 2010, Videoarchiv

 

2008
Dialog Publizistik Münster-Wien
Kommunikationswissenschaft audiovisuell
Univ.-Prof. Dr. Klaus Merten (Münster) im Gespräch mit Univ.-Prof. DDr. Roland Burkart (Wien)
DVD, 84 Min., Wien 18. Juni 2008, Videoarchiv

 

2007
Dialog Publizistik Zürich-Wien
Kommunikationswissenschaft audiovisuell
Univ.-Prof. Dr. Ulrich Saxer (Zürich) im Gespräch mit Univ.-Prof. DDr. Roland Burkart (Wien)
DVD, 35 Min., Wien 24. Mai 2007, Videoarchiv


Für den Inhalt verantwortlich: Roland Burkart und Manfred Bobrowsky
Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Universität Wien
Währinger Straße 29
1090 Wien